Baby Brain:

Ausrede oder Wahrheit?

Viele Frauen klagen über Vergesslichkeit, Konzentrationsschwäche, verlangsamtes Denken und Stimmungsschwankungen, also Symptome der sogenannten «Schwangerschaftsdemenz», wenn sie ein Kind erwarten. Doch wirkt sich eine Schwangerschaft wirklich auf das Gehirn aus und wenn ja, wie?

Weltweit werden etwa 85% der Frauen zumindest einmal im Leben schwanger. Auch bei uns im Büro gab es im vergangenen Jahr gleich zweimal Nachwuchs – eine grosse Freude für das ganze Team, auch wenn sich alle ganz schön ins Zeug legen mussten, um für die werdenden Mamas einzuspringen. Doch das brachte uns auf die Frage, was es mit dem Mythos «Baby Brain» wirklich auf sich hat und welche Erkenntnisse die Wissenschaft zu bieten hat.

Weniger Gehirn in der Schwangerschaft?

Um den Änderungen im Gehirn während einer Schwangerschaft auf den Grund zu gehen, scannten Forschende der University of California das Gehirn einer schwangeren Frau ab drei Wochen vor ihrer Schwangerschaft bis zu zwei Jahre nach der Geburt insgesamt 26 Mal und verglichen es mit Scans von nicht schwangeren Frauen über die gleiche Zeitperiode. Dabei massen sie die Veränderungen sowohl in der grauen Hirnmasse, wo unsere grauen Zellen sitzen, die uns das Denken ermöglichen, als auch in der weissen Hirnmasse, wo die Verbindungen zwischen verschiedenen Teilen des Gehirns entlanglaufen.

Das Ergebnis scheint zunächst beängstigend: Vor allem die graue Hirnmasse, welche so viele kognitive Funktionen hat, schrumpfte während der Schwangerschaft und erreichte auch zwei Jahre nach der Geburt nicht wieder ihre ursprüngliche Masse.

Weniger ist mehr

Ein «schrumpfendes» Gehirn muss aber keinesfalls mit Einbussen in der kognitiven Kapazität einhergehen – ganz im Gegenteil wird angenommen, dass dies zum Finetuning des Gehirns notwendig ist. Die Forschenden glauben, dass durch die Schwangerschaft unnötige Verbindungen innerhalb der Gehirnareale aufgelöst werden, um den Fokus und die Sinne der Mutter zu schärfen. Gleichzeitig werden wichtige Verbindungen zwischen den Gehirnarealen, also die weisse Gehirnmasse, verstärkt. Dies betrifft vor allem Areale für die Aufmerksamkeit und die Sinneswahrnehmungen. Das ergibt Sinn, denn die Mutter muss nach der Geburt richtig auf Gehör- und auch Geruchswahrnehmungen in Bezug auf ihr Baby reagieren können, um gut für ihren Nachwuchs zu sorgen.

Die Hormone sind schuld

Während die Forschenden das Gehirn der Probandin regelmässig scannten, entnahmen sie auch Blutproben, um die Hormonveränderungen über diese Zeit zu verfolgen. Tatsächlich konnten sie feststellen, dass die Veränderungen im Gehirn zeitlich mit den Hormonveränderungen übereinstimmten. Die Hormone für alles verantwortlich zu machen ist also keine Ausrede!  

Die Ergebnisse der Studie deuten also darauf hin, dass es ein «Baby Brain» während und auch nach der Schwangerschaft zu geben scheint. Dieses Wissen wollen die Forschenden in Zukunft noch ausbauen und festigen, indem sie noch mehr schwangere Frauen screenen und die Resultate vergleichen. Doch vom jetzigen Standpunkt können wir schon sagen, dass dieses «Baby Brain» keineswegs zu einer Demenz führt, wie es das Klischee besagt. Es scheint vielmehr Teil eines cleveren Umbauplans zu sein und ist so gesehen ein leistungsfähiges Upgrade, um den Herausforderungen der kommenden Mutterschaft zu trotzen.

Quelle:

Pritschet L, Taylor CM, Cossio D, Faskowitz J, Santander T, Handwerker DA, Grotzinger H, Layher E, Chrastil ER, Jacobs EG. Neuroanatomical changes observed over the course of a human pregnancy. Nat Neurosci. 2024 Sep 16. doi: 10.1038/s41593-024-01741-0. Epub ahead of print. PMID: 39284962.