Fake News,

Wahrheit und pinker Schleim

Passenderweise an dem Tag, an dem der «Erfinder» der Fake News zum zweiten Mal zum Präsidenten der USA gewählt wurde, hörten unsere Gäste beim MEET&GREET by IACULIS einen Vortrag zum Thema gesundheitsbezogene Desinformationen von Dr. Sabrina H. Kessler. Sie klärte darüber auf, wie diese sich verbreiten, wie man sie erkennt, was sie auslösen können, aber auch wie man gezielte Falschinformation widerlegt und sich davor schützen kann.

Gesundheit geht uns alle an. Wir alle haben schon einmal Ratschläge gehört wie „Rotwein ist gesund“ oder „zieh dich warm an, sonst erkältest du dich“. In einer Zeit, in der die tägliche Nachrichtenflut kaum noch zu bewältigen ist, neigen viele dazu, altbewährten Quellen Glauben zu schenken. Das hat historische Wurzeln: In der Steinzeit rettete es unter Umständen das Leben, den Informationen nahestehender Personen zu vertrauen – sei es bei der Warnung vor giftigen Pflanzen oder vor gefährlichen Tieren.

Heute haben wir jedoch Zugang zu einem weit grösseren Fundus an Wissen. Die Wissenschaft überprüft diese traditionellen Weisheiten, indem sie durch systematische Arbeit verlässliche und objektive Erkenntnisse liefert. Aber genau das kann die Sache auch komplizierter machen: Wissenschaftliche Aussagen sind oft komplexer und abstrakter als der gut gemeinte Rat des Nachbarn. In einer Welt, in der Informationen rund um die Uhr auf uns einströmen, müssen wir kritisch abwägen, was wirklich wahr ist und worauf wir uns verlassen können.

Bitte keine Bleiche trinken!

Desinformation greift genau hier an. „Pocken und Polio lassen sich ausrotten, Impfmythen jedoch nicht so leicht“, erklärte Dr. Sabrina Kessler in ihrem Vortrag provokativ. In einer Zeit, in der Gesundheitsmythen und gezielte Falschinformationen online schnell und weit verbreitet werden können, zeigte sie auf, wie gefährlich diese sein können. Besonders in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie können Fehlinformationen negative Auswirkungen haben. Ein bekanntes Beispiel: Präsident Trumps Empfehlung, Desinfektionsmittel gegen Covid-19 zu trinken oder gar zu injizieren, war ein Vorschlag, der weltweit für Schlagzeilen sorgte und Menschenleben gefährdete. Tatsächlich stiegen die Todesfälle durch Vergiftungen mit Haushaltsdesinfektionsmittel in den USA in den Folgemonaten an.

Doch warum greifen solche falschen Infos so schnell um sich? Besonders in Zeiten der Unsicherheit bieten einfache Erklärungen und Mythen einen scheinbaren Halt. Dr. Kessler erklärte, dass Desinformation sich oft durch emotionalen Inhalt und vereinfachte Aussagen auszeichnet. Sie wird besonders auf sozialen Medien und in Messenger-Diensten rasant verbreitet, denn dort gibt es keine journalistischen „Gatekeeper“, welche die Informationen prüfen. Dazu kommt, dass Algorithmen emotional aufgeladene Inhalte bevorzugen und so helfen, Falschinformationen viral gehen zu lassen.

Was tun?

Ein zentraler Weg zur Bekämpfung von Desinformation ist das aktive „Fact-Checking“. Dabei helfen Fact-Checker-Organisationen wie Correctiv, die Falschinformationen gezielt untersuchen und mit klaren Fakten widerlegen. Dr. Kessler betonte, dass solche Bemühungen effektiv sein können, auch wenn sich eine bereits verankerte Desinformation nie vollständig aus den Köpfen verbannen lässt.

Eine weitere wichtige Massnahme ist die kritische Überprüfung der Quellen. Wer finanziert die Forschung? Wurde die Studie durch ein doppel-blindes Peer-Review-Verfahren geprüft? Seriöse Quellen lassen sich meist leicht über Suchmaschinen oder auf Seiten wie Wikipedia verifizieren, während man bei unbekannten oder alarmistisch wirkenden Webseiten vorsichtiger sein sollte. Auch ein einfacher Blick in seriöse Qualitätsmedien, wie sie im jährlichen Ranking des Stiftervereins Medienqualität aufgeführt sind, kann schon Aufschluss geben, ob die Information ernst zu nehmen ist.

Dr. Kessler hob zudem die Bedeutung des Qualitätsjournalismus hervor. Wissenschaftsjournalist:innen sind darauf spezialisiert, komplexe Themen präzise und verständlich zu vermitteln. Doch gerade in Zeiten knapper Budgets sind die teuren Wissenschaftsressorts oft die ersten, die verkleinert werden. Dabei ist ein fundierter Journalismus unverzichtbar, um die breite Öffentlichkeit mit sachlichen und gut recherchierten Informationen zu erreichen und der Desinformation entgegenzuwirken.

Gegen und mit KI

Erschreckend ist, dass sich Desinformation nicht nur durch Menschen verbreitet, sondern zunehmend auch durch Künstliche Intelligenz (KI): Dr. Kessler sprach auch vom sogenannten „pinken Schleim“ – einer Flut an KI-generierten Inhalten, die uns im Netz überschwemmt. Täuschend echte, KI-erstellte Inhalte machen es immer schwerer, verlässliche Inhalte von falschen Informationen zu unterscheiden. Doch KI kann auch Teil der Lösung sein: Sie könnte auch automatisch und in grossem Stil Desinformation erkennen und widerlegen.

Am Ende des Abends nahmen die Gäste eine klare Botschaft mit: Jeder und jede kann gegen Desinformation vorgehen. Durch den prüfenden Blick auf Quellen, durch das Vertrauen in engagierte Wissenschaftsjournalist:innen und durch das Bewusstsein, dass nicht alles, was seriös klingt, auch der Wahrheit entspricht. Wenn es um Gesundheit geht, lautet die wichtigste Regel: Lieber zweimal prüfen, als ungewollt riskieren!