Zwei Herzen

schlagen im Takt

Wenn man jemanden zum ersten Mal sieht, weiss man es meistens recht schnell: Gibt es eine Verbindung und das Gefühl, sich schon ewig zu kennen, oder bleibt die Begegnung im Small-Talk Bereich hängen? Forschende haben nun die wissenschaftliche Basis für dieses Bauchgefühl ermittelt. Überraschend: Ausschlaggebend ist nicht die physische Attraktivität des Gegenübers.

Ein Blind Date ist eine sehr spezielle Erfahrung. Man lernt jemanden online kennen oder wird im Freundeskreis miteinander in Kontakt gebracht und trifft die Person dann zum ersten Mal persönlich. Manches Mal ist das der Anfang einer langen und erfüllten Liebesgeschichte oder auch einer guten Freundschaft, andere Male eher eine seltsame Begegnung, bei der viele Fragen zurückbleiben.

Eine Forschungsgruppe aus Leiden in den Niederlanden erhielt 2022 den Ig-Nobelpreis für Biologie für ihre Forschung an Blind Dates. Dieser besondere Forschungspreis ist eine satirische Auszeichnung für wissenschaftliche Leistungen, die «Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen». Mit ihrem Projekt konnten die niederländischen Wissenschaftler/innen nun herausfinden, was die Anziehungskraft zwischen zwei Menschen ausmacht, die sich zum ersten Mal treffen.

Für ihre Versuche würfelten die Forschenden 140 Frauen und Männer zufällig zu Hetero-Pärchen zusammen und luden sie immer paarweise in eine selbstgebaute «Dating-Kabine» ein, in der sich die potenziellen Pärchen zum ersten Mal sahen. Der Aufbau war nicht besonders romantisch: Sie sassen sich an einem Tisch gegenüber und waren wie bei der Sendung «Herzblatt» durch einen Sichtschutz getrennt. Ihre Augenbewegungen wurden mit Eye-Tracking-Brillen überwacht und an ihren Fingern wurde ihr Puls und die Leitfähigkeit der Haut gemessen, die ein Mass für schwitzige Hände und damit Nervosität ist. So ausgerüstet durften sich die Pärchen zuerst drei Sekunden lang ansehen, ohne zu sprechen, bevor sie die Anziehungskraft des Gegenübers zum ersten Mal bewerteten. Nach weiteren zwei Minuten ansehen ohne sprechen, bewerteten sie das Gegenüber erneut. Anschliessend durften die Probanden zwei Minuten lang miteinander sprechen, bevor sie die Anziehungskraft nochmals bewerteten und angaben, ob Sie den Gegenüber gern wiedersehen möchten. Bei manchen Pärchen wurde die Reihenfolge auch geändert: sie durften zuerst zwei Minuten miteinander sprechen und danach sich zwei Minuten stumm ansehen. Die Reihenfolge hatte schlussendlich keinen Effekt auf die Versuchsergebnisse.  

Es zeigte sich, dass die physische Attraktivität nicht ausschlaggebend für die Anziehungskraft des Gegenübers war und dafür, ob sich die Personen erneut treffen möchten. Auch nonverbale Gesten wie Blicke und Lächeln oder gemeinsames Lachen korrelierten nicht besonders gut mit der Anziehungskraft. Ausschlaggebend waren die physiologischen Parameter der beiden, nämlich ob sich Herzschlag und Haut-Leitfähigkeit beider Probanden im Lauf des ersten Kennenlernens synchronisierten – also ob buchstäblich ihre Herzen im gleichen Takt schlugen. Für die Synchronisation war es dabei nicht ausschlaggebend, ob die Paare miteinander sprachen oder sich nur ansehen durften.

Wir scheinen demnach ein intuitives Gefühl für den Herzschlag und die Haut-Leitfähigkeit des Gegenübers zu besitzen, auch wenn diese nicht so offensichtlich wahrnehmbar sind wie Blicke oder Worte. Die Smartwatch, die Herzschlag und Haut-Leitfähigkeit messen kann, könnte also in Zukunft auch beim Dating eine grosse Rolle spielen. In der Studie bleibt offen, ob sich die Synchronisation der physiologischen Parameter auch im Bewerbungsgespräch ereignet oder nur am Anfang von romantischen Beziehungen, und ob die Synchronisation auch über Video-Telefonie funktioniert oder nur beim persönlichen Kennenlernen.

Über die Gründe, warum wir uns bei der Partnerwahl und dem Bauchgefühl mehr auf physiologische als auf offensichtliche Zeichen verlassen, können die Autor/innen der Studie nur spekulieren. Möglicherweise liegt es daran, dass Menschen beim ersten Kennenlernen nicht immer ganz ehrlich sind. Wir zeigen unser Interesse am Gegenüber selten ganz offen, und Lächeln und ein tiefer Blick in die Augen können genauso ein Zeichen für Zuneigung sein wie Wegsehen und den Blick des anderen zu meiden. Diesen widersprüchlichen Signalen in der sichtbaren Kommunikation stehen aufrichtige physiologische Parameter gegenüber. Sie können wir nur schwer kontrollieren, sie erlauben also einen unverstellten Blick auf unser Inneres. Und das ist es ja, was wir beim Dating suchen: eine echte Verbindung zwischen zwei Menschen.

Möchten Sie gerne sehen, wie diese seltsame Art des ersten Dates abgelaufen ist? Hier gibt es eine Videoaufnahme.

Quelle: Prochazkova, E., Sjak-Shie, E., Behrens, F. et al. Physiological synchrony is associated with attraction in a blind date setting. Nat Hum Behav 6, 269–278 (2022). https://doi.org/10.1038/s41562-021-01197-3